Auswahltests unter der Lupe

Nachfolgend werden verschiedene, in der Studierendenauswahl verwendete Auswahltests vorgestellt. Dabei stehen die folgenden Fragen im Vordergrund: Was wird getestet, wie wird getestet und warum eignet sich gerade dieser Test für die Studierendenauswahl. Für weitere Informationen zu den einzelnen Auswahltests sind die entsprechenden Links beigefügt.

Der Test für medizinische Studiengänge (TMS) wurde ursprünglich von der Studienstiftung des deutschen Volkes, nachträglich von der Firma ITB Consulting GmbH (Bonn) in den 1970er und 1980er Jahren entwickelt und wurde 2019 von 67 % bzw. 24 der 36 humanmedizinischen Fakultäten in der Auswahl berücksichtigt. Das bedeutet, dass bis 2019 die Vergabe von ca. 65 % der Humanmedizinstudienplätze im AdH deutschlandweit durch das TMS-Ergebnis beeinflusst wird. Aufgrund des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom 19.12.2017 und der darauf aufbauenden Veränderungen in der Medizinerauswahl werden 2020 34 von 36 Fakultäten den TMS als Auswahlkriterium nutzen. Dabei kann der TMS oft ausschlaggebender Faktor bei der Entscheidung über die Vergabe eines Platzes sein, da sein Ergebnis die Abiturnote ausgleichen kann.

Der Test selbst besteht aus mehreren Abschnitten – Untertests –, die unterschiedliche kognitive Bereiche sowie eine ganze Reihe fachrelevanter Fähigkeiten abbilden. Zu diesen Fähigkeiten  gehören die visuelle Wahrnehmung, ein räumliches Vorstellungsvermögen, das Behalten von figuralem oder verbalem Material, das Verständnis medizinischer und naturwissenschaftlicher Texte und Problemstellungen, die Interpretation von Diagrammen und Tabellen, quantitatives Problemlösen in medizinisch-naturwissenschaftlichen Kontexten, Gedächtnisfähigkeiten, Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeit.

Ältere Untersuchungen zeigten, dass der TMS Leistungen in der ersten Vorprüfung ("Physikum") und der ersten ärztlichen Prüfung (altes 1. Staatsexamen nach dem 6. Studiensemester) vorhersagen, welche eher theoretische Prüfungen darstellen (Stumpf and Nauels 1990, Trost, Flum et al. 1998, Hänsgen and Spicher 2001). Neuere Untersuchungen aus Heidelberg konnten weiterhin zeigen, dass der TMS beim Vergleich von Studierenden mit besten und mittelmäßigen Abiturnoten den Studienerfolg und die Studienkontinuität in beiden Gruppen besser vorhersagt, als die Abiturnote allein (Kadmon and Kadmon 2016).

tms-info.org

Der HAM-Nat ("Hamburger Auswahlverfahren für medizinische Studiengänge, Naturwissenschaft") wird seit 2008 in Hamburg zur Auswahl von Human- und Zahnmedizinstudierenden eingesetzt. Im Jahr 2020 wird er in den Auswahlverfahren der Humanmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und an der Universität Magdeburg, der Zahnmedizin am UKE sowie der Pharmazie an den Universitäten Hamburg und Greifswald eingesetzt.

Der Test besteht aus Multiple-Choice-Fragen zu medizinisch relevanten Aspekten der Fächer Mathematik, Physik, Chemie und Biologie sowie zum Logischen Denken. Die Fragen überprüfen Kenntnisse und ihre Anwendung auf Gymnasialniveau.

Die Forschungsergebnisse zeigen, dass diejenigen, die den HAM-Nat gut bewältigen, in den ersten Semestern seltener das Studium abbrechen und bessere Noten haben als eine Vergleichsgruppe. Das HAM-Nat-Ergebnis eignet sich besser als die Abiturnote zur Vorhersage des Studienerfolgs in den ersten Semestern und insbesondere auch zur Identifizierung von Studienabbrechern. Die HAM-Nat Ergebnisse korrelierten dazu nur wenig mit den Abiturnoten der Bewerber. Dies verdeutlicht den zusätzlichen Informationsgewinn des Verfahrens und macht die Chancen auf einen Studienplatz weniger von der Abiturnote abhängig.

Anmeldung zum HAM-Nat
Vorbereitung auf den HAM-Nat

Situational Judgement Tests (SJT) haben das Ziel, das Wissen um sozial kompetentes Verhalten oder persönliche Verhaltenstendenzen zu erfassen. Während SJTs als Testformat in der Personalauswahl schon länger etabliert sind, werden sie seit Beginn des Jahrtausends auch in der Medizinstudierendenauswahl im Ausland vermehrt eingesetzt.

Bei einem SJT werden kurze berufs- oder studienrelevante soziale Situationen beschrieben, zum Beispiel in Form eines kurzen Textes oder eines Videos, und verschiedene Handlungsoptionen vorgegeben. Die Aufgabe kann beispielsweise sein, die einzelnen Handlungsoptionen zu bewerten, in eine Rangreihe zu bringen oder die beste Option auszuwählen. Die Situationsbeschreibungen basieren in der Regel auf sogenannten kritischen Ereignissen, die aus Erfahrungsberichten u.a. von Studierenden gewonnen werden. Die Antworten werden mit einem Bewertungsmaßstab abgeglichen, der entweder vorab durch ein Expertengremium festgelegt oder anhand theoretischer Überlegungen abgeleitet wurde.

In Deutschland wird ein Hamburger SJT (HAM-SJT) seit 2016 am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) im Rahmen des hochschuleigenen Auswahlverfahrens erprobt und ab 2020 auch bei der Auswahlentscheidung für das Medizin- und Zahnmedizinstudium am UKE berücksichtigt. Erste Ergebnisse zeigen, dass der HAM-SJT die Leistung in frühen klinisch-praktischen Prüfungen des Medizinstudiums vorhersagen kann. Der HAM-SJT korreliert zudem leicht mit dem Hamburger Multiple Mini-Interview (HAM-Int), zeigt aber keinen Zusammenhang zur Abiturnote oder der HAM-Nat Leistung. Diese ersten Ergebnisse zeigen, dass der HAM-SJT relevante Kompetenzen erfasst, die durch die Abiturnote oder kognitive Tests nicht abgebildet werden.

Multiple Mini Interviews (MMIs) wurden im Jahr 2002 an der McMaster Universität in Kanada zur Auswahl von Medizinstudierenden entwickelt. Seitdem haben sie sich an diversen Universitäten weltweit etabliert. Ziel von MMIs ist es, soziale Kompetenzen (z.B. Empathie, Durchsetzungsstärke oder Emotionsregulation) der Bewerbenden zu erfassen. Damit sind sie eine sinnvolle Ergänzung zu anderen Auswahlkriterien, die hauptsächlich auf kognitiv-fachliche Kompetenzen fokussieren.

Statt wie im herkömmlichen Bewerbungsinterview ein einzelnes langen Gespräch mit nur einem oder zwei Interviewern zu führen, durchlaufen Bewerbende in MMIs mehrere kurze Interview- oder Schaupielstationen mit jeweils unterschiedlichen Juror*innen. Diese werden im Vorfeld intensiv geschult und nutzen zur Beurteilung standardisierte Ratingbögen. Beurteilt werden klar unterscheidbare und kontextübergreifende soziale Kompetenzen, welche durch Anforderungsanalysen identifiziert wurden und sich empirisch als mess- und beobachtbar erwiesen haben. Die Schauspieler*innen an den Stationen erhalten genaue Verhaltensinstruktionen, sodass die Ausgangsbedingungen für alle Bewerbenden gleich sind. Insgesamt gibt es bis zu 10 Stationen à ca. 5-10 Minuten.

MMIs als Messinstrument sozialer Kompetenzen sind eine wichtige Komponente im Studierendenauswahlprozess, da soziale Kompetenzen erwiesenermaßen bedeutend und über fachliche Expertise hinaus zur Qualität ärztlicher Tätigkeiten beitragen. Sowohl Patient*innen als auch Medizinstudierende und praktizierende Ärzt*innen bewerten soziale Kompetenzen als essentiell für den Beruf des Arztes bzw. der Ärztin. Verschiedene Studien zeigen, dass die Leistung in MMIs mit entsprechenden Kompetenzen im Studium signifikant zusammenhängt. So erzielen Bewerbende mit höheren MMIs Scores im Verlauf ihres Studiums bessere Ergebnisse bei Aufgaben zur Arzt-Patienten-Kommunikation. Zudem werden ihre sozialen Kompetenzen und ihre allgemeine Eignung für den Beruf des Arztes bzw. der Ärztin von ihren Betreuenden im Allgemeinarztpraktikum signifikant positiver beurteilt. Somit erweist sich das MMI – ergänzend zu weiteren Eignungskriterien – als wichtiger und aussagekräftiger Bestandteil des Studierendenauswahlverfahrens.

Der HAM-MRT ist ein Multiple-Choice-Test mit Aufgaben zum „Mentalen Rotieren“, einer Teilkomponente räumlichen Vorstellungsvermögens. Inhaltlich verwandte Testverfahren sind in der Zahnmedizinstudierendenauswahl international, vor allem im amerikanischen Raum, bereits lange etabliert. Nachdem der HAM-MRT in wissenschaftlichen Voruntersuchungen erfolgreich zur Vorhersage praktischer Studienleistungen im vorklinischen Studienabschnitt beitragen konnte, wird dieser Test seit 2013 mit anfangs noch wechselnden Aufgabenformaten im Auswahlverfahren für Zahnmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) eingesetzt. Seit 2015 ist er in der heutigen Form im Einsatz.

Während des Tests müssen zweidimensional präsentierte Würfelnetze gedanklich zusammengesetzt, gedreht und mit Vergleichsobjekten abgeglichen werden. Dabei muss aus mehreren vorgegebenen Antwortoptionen die richtige Lösung ausgewählt werden.

Vorbereitung auf den HAM-MRT